Wie es der Teufel, der Zufall oder was auch immer so will: Da poste ich gestern unter ein Video von Olli Lohmann (session) den Tipp, sich mal „In Vivo Guitar“ von Abi von Reininghaus zu besorgen und reinzuziehen, flattert doch postwendend eine Antwort rein mit einem Link zu einem Interview mit Abi aus dem letzten Jahr auf Supergain TV.

Zunächst einmal möchte ich den Tipp hier unbedingt und gerne wiederholen: Wenn Du Dir die Gitarre jenseits von reiner Spieltechnik erschließen und etwas über Harmonielehre lernen möchtest, dann besorge Dir unbedingt das Buch von Abi von Reininghaus »In Vivo Guitar«. Aus meiner Sicht ist es das mit Abstand beste Gitarrenlehrbuch was mir in die Finger gekommen ist.
Ich hatte das Buch damals im Gitarrenladen meines Vertrauens wärmstens empfohlen bekommen, da war die Erstauflage gerade druckfrisch auf dem Markt. Ich glaube, das war 1994 oder 95, ich weiß es nicht mehr genau. Mensch, ist das schon lange her! Nur wenig später gab Abi dann in diesem Laden einen Workshop, zu dem ich es leider nicht geschafft hatte, weshalb ich mir jetzt noch im Rückblick wieder in den Hintern beißen könnte.
Denn dass Abi ein höchst symphatischer Mensch ist, davon konnte ich mich jetzt in diesem Interview von Michael Vochezer und Enrico Coromines von der Supergain Guitar Academy überzeugen.
Das Interview hat mich wieder so gepackt, dass ich das Buch hervorgeholt und angefangen habe, darin zu blättern und zu lesen. Das ist jetzt noch so motivierend, erleuchtend und gewinnbringend, selbst, wenn man es schon mehrmals durch hat.
„Tatsächlich, wer immer in diesem Buch etwas unklar findet, der sollte sich nicht über sich, sondern, wenn überhaupt, dann über mich ärgern!“
Abi von Reininghaus
Irre! Ich hatte bis zu diesem Zeitpunkt, als ich diese Zeilen im Vorwort zum ersten Mal las (es ist der vierte Satz) und nur ganz selten danach so etwas von einem Lehrer gelesen oder gehört. Da ist jemand, der weiß eine ganze Menge mehr von etwas, als man selbst, ist Dir haushoch überlegen, steht über Dir. Und da setzt er sich sinnbildlich hin und stellt zuerst und sofort Kontakt auf Augenhöhe her, nimmt Dir mit einem Satz Ängste und Bedenken, was so motivierend und erhebend ist. Unglaublich!
Vielleicht kann man sich das heutzutage nicht mehr vorstellen. Aber damals war vieles, was man sich in Sachen Gitarrelernen kaufen konnte, seien es Bücher oder Videos (damals noch VHS), eher einschüchternd, von oben herunter, überwältigend und unter dem Strich desillusionierend, ja demotivierend. Ich kann mich noch sehr gut an die Lehrvideos von Malmsteen, Gilbert und Co. erinnern. Die hast Du nach wenigen Lektionen ausgemacht, weil sie immer unterschwellig (und wahrscheinlich auch ungewollt) mit vermittelt haben, dass Du es nicht kannst. Jedenfalls ging es mir oft so. Yngwie vor einer Wall of Marshalls, Kondensstreifen auf dem Griffbrett hinterlassend. Und dann diese „Frechheit“, nach dem Versprechen, er würde es jetzt mal langsamer spielen, damit Du mitbekommst, was er da macht, es zwar ohne Kondensstreifen vormacht, aber immer noch jenseits von Gut und Böse. Super motivierend? Nee, gar nicht!
Ob Du es glaubst oder nicht, ich habe mir eben die neue Auflage von „In Vivo Guitar“ bestellt. Da soll im Vergleich zur ersten Auflage ein neues Kapitel drin sein. Kann es gar nicht abwarten, es zu lesen.
Rock On!
Haha, danke für den Artikel. Bin selbst großer Fan von IVG (und freue mich, seit nunmehr fast 25 Jahren mit Abi befreundet zu sein) und halte es immer noch für eines der besten Gitarrenlehrbücher, gerade auch für dieses „Auf Augenhöhe begegnen“ und die Art, wie er viele „Mythen“ zersetzt und Dinge klar, leicht verständlich und immer mit dem praktischen Bezug erklärt.
Was das Gegenteil angeht – ja, ich erinnere mich an viele der Lehrvideos und musste schmunzeln bei der Anspielung auf Yngwies Video und das „I’ll slow it down“ *spielt es ca. 15 bpm langsamer, also wieder zu schnell*
Genauso erinnere ich mich an viele Lehrvideos, bei denen Sweep Picking-Grundlagen anhand von ultraschnellen Sweeps über sechs Saiten vorgeführt wurde… vergleichbar mit der ersten Praxisstunde in der Fahrschule, aber im Berliner Stadtverkehr nd mit einem Formel 1‑Rennwagen 🙂
Viele dieser Lehrvideos waren Teil der Plattenverträge, die die Jungs damals unterschrieben haben. Hier war nicht viel Zeit für Vorbereitung… im Endeffekt waren das Showcases, in denen die Gitarristen ihr Können vorführen sollten. Der Ansatz war also weniger eine „realistische“ Gitarrenstunde, zumal viele der Protagonisten offensichtlich noch nicht viel unterrichtet hatten.
Habe mal ein Interview gehört, in dem Greg Howe sagte, dass er gern viel Vorbereitung gemacht und dann ein gutes Lehrvideo abgeliefert hätte, aber es war wahnsinnig viel Zeitdruck dabei, so dass das kaum drin war. Auch Vinnie Moore hat mal geschrieben, dass sein Video in Echtzeit entstanden ist… er musste seinen Zug kriegen, es gab nur einen Termin und er hat das fast in einem Take aufgenommen. Klar, hier ist nicht viel Pädagogik dabei, aber wie gesagt, das waren eher „Showcases“ für junge, angesagte Gitarristen des Varney-Labels
Dennoch halte ich „Intense Rock“ und „Intense Rock 2“ von Paul Gilbert für immer noch sehr gute Videos. Hier ging es auch überaus rasant zu, aber die Übungen haben wirklich geholfen und es ging speziell im 2. Teil auch um Phrasierung etc.
IVG spielt da dennoch in einer anderen Liga… hier merkt man, wieviel Zeit und Unterrichtserfahrung eingeflossen sind. Und das ist einer der Gründe, warum das Buch immer noch in fast jeder Musikschule herumliegt und eifrig genutzt wird 🙂
Danke für den Artikel!
Danke für den netten Kommentar! Das habe ich gar nicht gewusst, dass solche „Lehrvideos“ Teil der Plattendeals waren. Das würde viel erklären. Danke für diese Info! Die von Dir erwähnten Videos von Paul Gilbert kenn’ ich natürlich auch und zählen zu den etwas besseren. Es gab auch noch eins von Vinnie Moore, was ich ganz gut fand. Ich erinnere mich nur nicht mehr an den Titel.