Bereits in letztem Jahr – quasi als frühes Weihnachtsgeschenk – flatterte die Nachricht bei mir ein, dass einer meiner persönlichen Gitarren-Heroes, namentlich Adrian Smith, ein neues Projekt am Start habe und das mit keinem geringerem als Richie Kotzen. Für diejenigen, die die Karriere des Herrn Smith auch jenseits seines Wirkungskreises bei bzw. mit Iron Maiden aufmerksamer verfolgen, war die Kollaboration der beiden Herren keine völlige Überraschung. Denn dass die beiden eng miteinander befreundet sind, konnte man schon seit längerem in Erfahrung bringen, wenn man die Social-Media-Kanäle von Adrian Smith verfolgt. Dort gab es immer mal wieder Hinweise, dass die beiden etwas aushecken könnten.
Mitte Dezember war es dann soweit. Mit „Taking My Chances“ wurde die erste Single des Projekts Smith/Kotzen veröffentlicht, zu sehen und hören auf dem offiziellen YouTube-Channel.
Einen guten Monat später, Ende Januar 2021 folgte dann das Release des offiziellen Videos zu „Taking My Chances“. Am Ende des Videos und auch in der Beschreibung wurde es dann unmissverständlich klar: Es ist ein ganzes Album! Veröffentlicht wird (bzw. wurde) es am 26.03.2021. Ich konnte natürlich nicht widerstehen und habe mir sofort eine limitierte Version samt unterschriebener Karte und T‑Shirt vorbestellt.

Dann ging es Schlag auf Schlag. Mit »Scars« und »Running« folgten vor Release des Albums noch zwei weitere Vorabauskopplungen.
Auf der eigens eingerichteten Homepage erfährt man dann noch einige Details zum Album selbst. Aufgenommen wurde es auf den Turks & Caicos Inseln, südöstlich der Bahamas (jep, musste ich googlen), produziert von den beiden Herren selbst, abgemischt vom Haus- und Hofmischer der Eisernen Jungfrauen Kevin Shirley.
Insgesamt neun Titel befinden sich auf dem Album. Bei einigen haben diverse Gäste mitgewirkt, so Nicko McBrain an den Drums bei „Solar Fire“. Bei drei Songs („You Don’t Know Me“, „I Wanna Stay“ und „‘Til Tomorrow“) saß Richie’s Tour-Drummer Tal Bergman hinter der Schießbude; bei den restlichen fünf trommelte Richie dann selbst. Die Vocals und den Bass haben sich Adrian und Richie geteilt.
Pünktlich zum Releasedate, sogar einen Tag früher, trudelte dann Post aus England bei mir ein.
Überrascht oder irgendwie doch nicht
Dem gestandenen Fan der Eisernen Jungfrauen wird schon beim Hören der Vorabveröffentlichungen eines völlig klar geworden sein: Kein einziger Song dieses Albums erinnert auch nur annähernd an Maiden und mit Metal hat das alles nichts zu tun. Wer also mit entsprechenden Erwartungen an Smith/Kotzen herantritt, wird wohl enttäuscht werden bzw. sein.
Das Debut der Herren Smith und Kotzen ist vielmehr bluesiger Classic Rock, allenfalls mit Hardrock Anleihen und kommt damit eher nach Richie‘s bisherigen Werken als nach Adrians kreativem Schaffen bei und mit Iron Maiden. Blickt man aber auf Adrians frühere Soloprojekte zurück (A.S.A.P. und Psycho Motel), so kann man um seinen stilistischen Abstand zu Iron Maiden wissen, wenn er mal nicht unter der Fuchtel eines Steve Harris steht. Und ist er dann mal losgelassen, so zeigt sich Adrians stilistischer Facettenreichtum auf ganzer Linie. Selbst die beiden Alben mit Psycho Motel, die im Vergleich zu »Silver and Gold« von A.S.A.P. zweifelsohne im Metalgenre beheimatet sind, unterscheiden sich grundlegend von Iron Maiden. Dass nun eine Zusammenarbeit mit Richie Kotzen eine weitere, bisher unentdeckte Seite des Adrian Smith ans Tageslicht befördern würde, war abzusehen.
Ein Hörprotokoll
Taking my Chances ist der grooviger Rocker als Opener und erste Singleauskopplung des Albums. Da stimmt einfach alles. Catchy Refrain, top Soli, toller Groove … perfekt!
Running fängt für mich erst mit dem Chorus an zu leben. Trotz der Tatsache, dass der Song als dritte Auskopplung schon einige Zeit vor Erscheinen des Albums wirken konnte, funktioniert er bei mir erst nach wiederholtem Anhören.
Scars ist die zweite Singleauskopplung vor dem Release des Albums. Eine bluesige Ballade mit absolut geilen Fills und Solopassagen sowie herausragenden Vocals von beiden Herren. Für mich eines der Highlights des Albums.
Some People pätschert ein wenig dahin und will bei mir nicht so richtig durchzünden. Kommt erst im instrumentalen Teil und den Soli richtig bei mir an, um dann wieder abzuflachen. Schade! Der schwächere Song des Albums.
Glory Road ist ein Bluesrocker wie er im Buche steht. Die Vocals sind überragend! Erinnert mich vom Vibe ein bisschen an Glenn Hughes. Ein toller Mitsing-Refrain und die Soli und Fills sind herausragend. Ein weiteres Highlight.
Solar Fire liefert den Up-Tempo-Rocker des Albums und der Maiden-Kenner hört sofort, wer da hinter den Drums sitzt, nämlich kein geringerer als Mr. Nicko McBrain. Eine Grundsolide Nummer, die mir gefällt.
You don‘t know me: kommt als eine schleppend balladeske Nummer mit großartigen Vocals daher. Kein Highlight von der ersten bis letzten Minute, aber auch nichts für die Skip-Taste, vor allem wegen den großartigen Soli in der Mitte und dann am Ende nicht.
I Wanna Stay: reiht sich stilistisch an den Song zuvor. Auch hier stechen die Vocals wieder besonders heraus. Der Solopart von Richie ist mir ein bisschen zu abgespaced und packt mich nicht so, wie dann Adrians Einsatz. Verdammt, wenn der Kerl Gitarre spielt, bin ich einfach hin und weg.
‘Till Tomorrow: ist ein weiteres echtes Highlight. Der Song bleibt anfänglich eher schleppend und steigert sich zu einem sehr geilen Refrain. Super Soli. Funktioniert! Ein würdiger Abschluss des Albums, der dazu motiviert, das Ding wieder von vorne zu starten.
Mit „Some People“ ist ein Song auf dem Album, den ich vielleicht wegskippen würde. Die Highlights sind für mich der Opener „Taking my Chances“, „Scars“, „Glory Road“ und »‘Til Tomorrow«. Die übrigens Songs sind definitiv alles andere als Filler, brauchen aber ein bisschen, da die jeweilige Höhepunkte sich ein wenig zu verstecken scheinen.
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